Die sogenannte Verwässerung ist Teil jeder Finanzierungsrunde und sorgt bei Gründer*innen regelmäßig für Diskussionen. In diesem Artikel erfährst Du, was sie bedeutet, welche Faktoren eine Rolle spielen und wie Du sie beeinflussen kannst.
Jeder Startup-CEO kennt das: Fundraising kostet Zeit, Kraft und Geld. Und obwohl nur ca. 5% aller Startup Gründungen in Deutschland Kapital von externen Investoren erhalten, ist der Hunger nach neuen Finanzierungsmitteln so hoch wie nie zuvor: Laut deutschem Startup Monitor planen in diesem Jahr fast drei Viertel aller der Startups, in den kommenden 12 Monaten neues Kapital aufzunehmen. Und während sich der Großteil früher mit maximal 500.000 € Finanzierung begnügte, plant heute fast die Hälfte aller Startups mit Beträgen zwischen 500.000 € und 2 Millionen €.
Doch mit jedem Funding kommt auch das leidige Thema der Verwässerung bei Finanzierungsrunden (englisch „Dilution“) auf: Für jeden erhalten Euro müssen die Gründer*innen auch einen Teil Ihrer Anteile abgeben. Im folgenden Artikel erhältst Du als frischgebackener Startup-CEO einen Überblick, was Verwässerung bedeutet, und welche Konsequenzen dies für Dich als Gründer*in hat.
Verwässerung tritt auf, wenn ein Unternehmen neue Anteile ausgibt und damit der prozentuale Anteil der bisherigen Gesellschafter sinkt. Für Investoren ist dies notwendig, um einen fairen Anteil am wachsenden Unternehmen zu erhalten – für Gründer bedeutet es, dass sie bei jeder Runde einen Teil ihrer Anteile abgeben müssen. Die typische Verwässerung variiert je nach Finanzierungsrunde und Unternehmensbewertung, daher ist es entscheidend, die Details zu kennen und gut vorbereitet in die Verhandlungen zu gehen.
Ein einfaches Beispiel zur Verdeutlichung:
Stell dir vor, du hast mit deinem Mitgründer ein Startup gegründet, und ihr haltet jeweils 50 % der Anteile. Um das Wachstum zu finanzieren, nehmt ihr in einer Seed-Runde 500.000 Euro auf und gebt dafür 20 % des Unternehmens an die Investoren ab.
Durch die Ausgabe neuer Anteile sinkt euer prozentualer Anteil am Unternehmen, obwohl der tatsächliche Wert eurer Anteile steigen kann, wenn die Investition zu einem höheren Unternehmenswert und Wachstum führt. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die Auswirkungen der Verwässerung zu verstehen und langfristig die Kontrolle und den Einfluss im Unternehmen zu sichern.
In der Pre-Seed-Phase befindet sich dein Startup noch in der Ideen- und Konzeptionsphase, eventuell mit einem kleinen Team und einem frühen Prototyp. Häufig stammt das Kapital in dieser Phase von Freunden und Familie, Business Angels oder Acceleratoren. Die Investitionsbeträge liegen oft zwischen 50.000 und 500.000 €, wobei Pre-Seed-Bewertungen in Europa bei etwa 3 Millionen € gedeckelt sind. Hier solltest du mit einer Verwässerung von rund 15 % rechnen, wobei Acceleratoren oft 5-10 % der Anteile verlangen.
Die Seed-Runde markiert den ersten großen Schritt in Richtung Marktetablierung und Produktentwicklung. Die Mittel aus dieser Runde werden typischerweise für Kunden- und Marktanalyse sowie Produktentwicklung eingesetzt. In Europa liegt die Seed-Runde oft zwischen 500.000 € und 2 Millionen €, mit typischen Unternehmensbewertungen zwischen 3 und 8 Millionen €. Hier liegt die Verwässerung bei etwa 15 %, so dass die Gründer und das Team nach der Runde ca. 70% der Anteile halten sollten.
In der Series-A-Phase wird dein Unternehmen bereits von einem bewiesenen Product-Market-Fit und einer wachsenden Nachfrage profitieren. In Europa liegen Series-A-Runden bei 4 bis 6 Millionen €, und die Bewertungen bewegen sich typischerweise zwischen 8 und 15 Millionen €. Eine typische Verwässerung von 15-20 % pro Runde ist hier üblich, was bedeutet, dass Gründer und Mitarbeiteraktien (ESOP) gemeinsam idealerweise über 50 % der Anteile behalten sollten.
Series-B-Runden konzentrieren sich auf das beschleunigte Wachstum und den Ausbau der Marktposition. In Europa bewegen sich Series-B-Runden zwischen 7 und 15 Millionen Euro an Kapitalzufluss (bei Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz oder EnergyTech können sie, als auch die Bewertung deutlich höher ausfallen), wobei die Verwässerung pro Runde zwischen 15-25 % liegt. Da viele internationale Investoren in Europa in dieser Phase einsteigen, solltest du darauf achten, dass du genug Kontrolle über strategische Entscheidungen behältst.
In den Series-C- und -D-Runden steht das Unternehmen oft kurz vor einer Expansion in neue Märkte, möglicherweise mit dem Ziel eines Börsengangs oder einer Übernahme. In dieser Reifephase kann die Verwässerung pro Runde zwischen 10 % und 40 % betragen. Private Equity und große Venture-Capital-Firmen führen oft die Verhandlungen und fordern zwischen 10 % und 15 % der Anteile. Diese Runde ist meist entscheidend, um das Unternehmen in die finale Wachstumsphase zu bringen und seinen Marktwert zu maximieren.
Die Bewertung deines Startups – also der Wert, der ihm von Investoren beigemessen wird – spielt eine zentrale Rolle dafür, wie stark du in jeder Finanzierungsrunde verwässert wirst. Je höher die Bewertung deines Unternehmens vor der Investition, desto weniger Anteile musst du für das gleiche Kapital abgeben, was die Verwässerung reduziert. Daher ist die Bewertung, bestehend aus Pre-Money und Post-Money Valuation ein wichtiger Hebel, um deinen Anteil am Unternehmen möglichst groß zu halten.
Kurz erklärt:
Hier ein weiteres Beispiel:
Stell dir vor, ein Investor möchte 500.000 Euro in dein Unternehmen investieren. Je nach Pre-Money-Bewertung ergibt sich daraus ein unterschiedlicher Anteil für den Investor und somit ein anderer Grad der Verwässerung für dich.
In diesem Fall erhält der Investor 20 % des Unternehmens, und dein eigener Anteil wird entsprechend verwässert. Wenn du vorher 100 % der Anteile gehalten hast, bleiben dir nach der Runde noch 80 %.
Hier sinkt der Anteil des Investors bei gleicher Investitionshöhe auf 14,3 %. Dein eigener Anteil wird also weniger verwässert – nach der Runde hältst du noch 85,7 % des Unternehmens.
Dieses Beispiel zeigt, wie eine höhere Pre-Money-Bewertung den Anteil des Investors senkt und damit den Einfluss der Gründer im Unternehmen stärkt. Doch es gibt noch weitere Faktoren, die die Verwässerung auf den zweiten Blick verändern.
Neben der Unternehmensbewertung gibt es zusätzliche vertragliche Bedingungen, die den Grad der Verwässerung beeinflussen können. Zu den wichtigsten zählen Liquidationspräferenzen, Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (ESOPs) und Anti-Verwässerungsklauseln. Diese Begriffe sind nicht nur für Investoren wichtig, sondern wirken sich direkt auf den Anteil und den Einfluss der Gründer aus. Hier erfährst du, was sich hinter diesen Klauseln verbirgt und wie sie deine Anteile betreffen können.
Liquidationspräferenzen sind Vereinbarungen, die sicherstellen, dass Investoren bei einem Verkauf oder einer Liquidation des Unternehmens bevorzugt ausgezahlt werden, bevor die verbleibenden Erlöse an die Gründer und andere Anteilseigner verteilt werden. Diese Absicherung macht Investoren eher bereit, auf aggressive Verwässerungsklauseln zu verzichten, da sie im Exit-Fall mehr Sicherheit genießen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Angenommen, ein Investor hat 1 Million Euro in dein Unternehmen investiert und eine 1-fache Liquidationspräferenz vereinbart. Das bedeutet, dass der Investor bei einem Verkauf des Unternehmens zuerst seine 1 Million Euro zurückerhält, bevor die restlichen Erlöse auf die Gründer und andere Gesellschafter verteilt werden. Solche Präferenzen können Investoren anziehen, ohne dass du dabei weitere Anteile abgeben musst.
Ein Employee Stock Option Plan (ESOP) ist ein Pool von Anteilsoptionen, der speziell für die Mitarbeiter eines Startups bereitgestellt wird. ESOPs bieten Mitarbeitenden die Möglichkeit, Anteile zu vergünstigten Konditionen zu erwerben, und sind ein starkes Mittel, um das Team langfristig zu binden und zu motivieren. Allerdings erhöhen ESOPs auch die Gesamtanzahl der ausgegebenen Anteile, was zu einer zusätzlichen Verwässerung führen kann.
Und auch hier ein Beispiel zur Verdeutlichung:
Stell dir vor, du legst zu Beginn der Seed-Runde einen ESOP von 10 % fest, damit du Schlüsselmitarbeitende mit Unternehmensanteilen motivieren kannst. Wenn neue Anteile für den ESOP ausgegeben werden, verringert sich dein prozentualer Anteil am Unternehmen. Deshalb ist es wichtig, den Optionspool strategisch festzulegen und idealerweise nicht vor jeder neuen Finanzierungsrunde anzupassen, da dies deine Anteile jedes Mal zusätzlich verwässern könnte.
Anti-Verwässerungsklauseln schützen Investoren bei späteren Finanzierungsrunden, in denen die Bewertung des Unternehmens niedriger ausfällt als in der vorangegangenen Runde (sogenannte „Down-Rounds“). Diese Klauseln stellen sicher, dass der Anteil der Investoren nicht oder nur minimal verwässert wird, selbst wenn der Unternehmenswert sinkt. Allerdings kann dies für Gründer zu erheblicher zusätzlicher Verwässerung führen, da sie für die Absicherung der Investoren auf einen größeren Anteil verzichten müssen.
Ein typischer Fall aus der Praxis:
Angenommen, ein Investor hat bei einer Bewertung von 5 Millionen Euro 10 % der Anteile erworben. In der nächsten Runde liegt die Bewertung jedoch nur noch bei 4 Millionen Euro. Eine Anti-Verwässerungsklausel könnte dann festlegen, dass der Investor zusätzliche Anteile quasi „kostenlos“ erhält, damit er seinen vorherigen prozentualen Anteil sichern kann. Diese zusätzlichen Anteile werden bei solchen Anti-Dilution-Clauses immer „vom Kuchen“ der Gründer abgezogen, was ihren Anteil am Unternehmen weiter verringert. Daher ist es ratsam, Anti-Verwässerungsklauseln nur bei Bedarf zu akzeptieren und ihre Bedingungen genau zu prüfen.
Wie Du siehst, ist die Verwässerung zentraler Bestandteil jedes Fundraising – und oft Gegenstand heißer Verhandlungen zwischen Gründer*innen und Investoren. Die genannten Beispiele aus den vorherigen Abschnittten geben Dir zumindest ein Bauchgefühl, mit welcher Verwässerung Du pro Runde rechnen musst. Hier gilt es jedoch auch, „versteckte“ Verwässerungen aus Liquidationspräferenzen, virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen und Anti-Dilution-Klauseln mit einzubeziehen. Abschließend aus eigener Erfahrung und der vieler Klient*innen vor mir noch ein paar Tipps:
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